Hannes, der Hase

Hannes, der Hase

Hannes war ein Hase. NÖ, kein normaler Hase, so zum kuscheln und so. NÖ. Hannes war anders. Er lebte alleine im Wald unter einer Baumwurzel und trug eine Brille. Eine kleine, schwarze, die ihm immer bis zur Nasenspitze rutschte. Und nochmal NÖ-die braucht er eigentlich gar nicht. Er fand sie nur cool, Hannes wollte damit klüger und mutiger aussehen. Aber für wen denn? Hannes lebte doch alleine. Seine Familie war vor vielen Jahren durch einen großen Sturm auseinandergerissen worden. Er wusste nicht, wo seine Eltern und seine 7 Geschwister waren. So sagte er sich, dass er einfach dort warten würde, wo sie früher zusammengelebt hatten. Vielleicht kommt eines Tages ja jemand zurück. Außerdem liebte er seine Baumwurzelwohnung. Aber Hannes merkte immer mehr, dass er sehr einsam war. „Ich weiß genau, eines Tages, ja, da werd ich einen Freund haben.“ Weil das neue Jahr grad erst begonnen hatte, beschloss Hannes, sich was zu wünschen. Und da zündete er ein kleines Kerzchen an, schloss seine Hasenaugen und fing an laut vor sich zu sprechen: „ich wünsche mir einen…“, da klopfte es an seine Tür. Poch, poch, poch. Hannes erschrak. Es hatte noch NIE geklopft bei ihm. Das Herzchen schlug ihm bis zum Hals. Mit leisen Hasentapsern schlich er zur Tür. „Hallo“, sagte er leise, „wer ist denn da?“ „Ich heiße Hanna, lässt du mich rein, Hannes?“ Hannes erschrak schon wieder. Vorher weiß dieses Etwas namens Hanna, dass ich Hannes heiße?

Da erinnerte er sich an seine Brille, die er ja nur trug, um klüger und mutiger auszusehen, und so hatte er keine andre Wahl, als jetzt mal eben ganz mutig zu sein. Vorsichtig öffnete er die Tür, einen ganz kleinen Spalt. Vor ihm stand ein kleines Hasenkind mit rosa Schleife und grinste ihn an. „Hallo Hannes“, wiederholte es seinen Namen. „So gefährlich bist du ja wirklich nicht. Mein Bruder hatte nicht recht.“ Hannes verstand gar nichts mehr und hakte nach. „Jetzt mal bitte eins, nach dem Anderen. Wer bist du, wer ist dein Bruder und wieso soll ich gefährlich sein, oder doch nicht gefährlich sein?“ Hanna grinste jetzt zurück. „Ich wohne oben auf dem Berg in dem schönen Hasendorf namens Haradies.“ Davon hatte Hannes schon viel gehört. Vom schönsten Dorf der Welt. Dort sollen so viele seinesgleichen wohnen, dass er sie gar nicht mehr zählen könne und Essen und Trinken in Hülle und Fülle soll es geben. Jeder hat sich lieb und passt auf den anderen auf. Hannes dachte immer, das sei nur eine erfundene Geschichte, die seine Eltern ihm früher, als er noch klein war, erzählt hatten. Doch jetzt legte er seine Stirn in Falten und hörte weiter gebannt zu. „Die Leute erzählen sich oft Gruselgeschichten über dich. Dass du hier unten wohnst und böse Zauberkräfte haben sollst. Dass dir niemand zu nahe kommen solle, sonst käme er nie mehr heim. Ich glaube aber, dass die Erwachsenen das den Kindern NUR erzählen, damit sie nicht so weit weg laufen vom Dorf und sich womöglich verlaufen. Gestern hat mich mal wieder mein Bruder damit geärgert, dass ich ein Angsthase wäre, der sich nix traut. So, und da hab ich gesagt, dass ich ihm beweise, dass ich vor nix Angst hab, auch nicht vor Hannes, dem Bösen Hasen. Und deshalb bin ich jetzt hier.“ Jetzt musste Hannes erst mal verschnaufen und sich setzen. Er, ein böser Hase, der einem ganzen Dorf Angst macht? Das kann doch nicht sein. Nach ein paar Minuten hatte er sich gesammelt und forderte Hanna auf, ihm ihr Dorf zu zeigen. „Ich komm mit dir und beweise allen, dass ich klug und mutig bin.“

Hanna überlegte nicht lange und hoppelte voraus. Hannes musste ganz schön schnaufen. Schon lange hatte er keine längere Ausflugs-Hoppelei mehr unternommen. Und dann waren sie da. Im Dorf, oben auf dem Berg. Gar nicht so weit weg von Hannes Baumwurzelwohnung. Sie gingen durch die Straßen und immer mehr Bewohner kamen aus ihren Häusern oder schauten aus ihren Fenstern. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht: „Hannes, der böseste Hase der Welt ist hier. Im Dorf!“ Auf dem Marktplatz wurden Hannes und Hanna regelrecht eingekreist. Jeder war auf das Schlimmste vorbereitet. Es war mucksmäuschenstill. Hannes schaute in viele Gesichter, die Wut und Angst ausstrahlten. Da fing er leise an: „Ich bin Hannes und wohne nicht weit weg unter einer Baumwurzel, ganz alleine. Seit vielen Jahren warte ich darauf, dass mal ein netter Hase vorbei hoppelt und mal „Hallo“ sagt. Aber seit Ewigkeiten habe ich keinen mehr gesehen. Ich bin nicht böse, wirklich nicht, ich will doch nur einen Freund.“

Hanna antwortet ganz laut: „Also, ich bin dein Freund, wenn du magst. Du bist echt nett.“ Und dabei nahm sie seine Hasenpfote in die ihre. Ein Murmeln ging durch die Hasenmenge und nach einer Weile sagte einer nach dem anderen: „ich kann auch dein Kumpel sein, wenn du magst.“ „Du kannst gern auch mal bei uns essen, oder was trinken, wir haben genug hier“. Und dann sagte eine Häsin unter Tränen: „Du kannst auch wieder bei uns leben, mein verlorener Sohn.“ „Mama!“ Hannes kullerten sofort die Tränen aus den Augen. Da war sie. Direkt vor ihm. Seine Familie! Sie hatte jahrelang so nah bei ihm gewohnt, aber keiner hatte es auch nur geahnt.

Natürlich kommt jetzt zum Schluss das happy End. Hannes verließ seine gemütliche Baumwurzelwohnung, denn im Dorf Haradies war es viel, viel schöner. Und auf einen Schlag hatte er nicht nur tausend neue Freunde, sondern auch seine Familie wieder.

Wie heißt es so schön: Ende gut, Hannes gut.

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